Dorfentwicklung: Lässt sich die alte Schule vor dem Abriss retten?
Pressemitteilung im Trierischen Volksfreund vom 16.01.2023 © Alexander Schumitz
Die Zukunft der alten Schule in Kanzem ist ungewiss. Der Gemeinderat hatte in nichtöffentlicher Sitzung ihren Abriss beschlossen. Doch dagegen haben sich die Bürger gewehrt. Jetzt soll gemeinsam eine Lösung für das historische Gebäude gefunden werden.
Was kann man mit dem historischen Gebäude in Kanzem machen? Eigentlich hatte der Gemeinderat beschlossen, die Schule abzureißen. Aber der Kulturverein machte gegen die Entscheidung mobil. Mit Erfolg?
Schmuck ist es geworden, das neue Bürgerhaus von Kanzem. Helle, warme Räume, ausgestattet mit einer modernen Gastroküche. Sicherlich ein Wohlfühl-Flecken auch für die darin geplante Vinothek Buch & Wein und ihre Gäste.
Welch ein Gegensatz zur alten Schule nebenan. In seiner 140-jährigen Geschichte beherbergte das Gebäude nicht nur eine Volksschule und die Personalwohnung für die Schulleiter, sondern auch mehrere Videoproduktionsstätten. Doch zuletzt stand das der Gemeinde gehörende Gebäude für sechs Jahre leer. Entsprechend muffig riecht es in dem kalten Bau. Das hielt aber die 100 Kanzemer jüngst nicht davon ab, auf Einladung des Gemeinderats während einer Bürgerversammlung durch das Haus zu streifen.
INFO
Gemeinderat tagt öffentlich
In Paragraf 35 Absatz 1 Satz 1 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung heißt es: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nicht öffentlicher Sitzung aus Gründen des Gemeinwohls oder wegen schutzwürdiger Interessen Einzelner erforderlich ist.“ Konkret fasst das Kommunalbrevier für Rheinland-Pfalz so zusammen: „Insbesondere Vorgänge, welche die privaten Verhältnisse einzelner Personen betreffen, sind in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln.“
Das Beratungsgeheimnis gilt vor allem in Personal- und Grundstücksangelegenheiten von Privaten. Über alle anderen Fragen ist öffentlich zu beraten, das gilt insbesondere für Entscheidungen, die Eigentumsfragen der Gemeinde berühren.
Hintergrund der Einladung zu diesem Ortstermin ist ein durchgesickerter Beschluss des Gremiums vom April 2022, in dem in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen wurde „die alte Schule niederzulegen“ – sprich: sie abzureißen. Hiergegen formierte sich in dem 670-Einwohner-Ort jedoch Widerstand. Angeführt von einer Interessengemeinschaft zum Erhalt der alten Schule im Kanzemer Kulturverein, war der Gemeinderat jüngst in einem öffentlichen Schreiben aufgefordert worden, seine Pläne für das alte Gebäude offenzulegen.
Und so gibt Kanzems Bürgermeister Peter Josef Mertes gleich zu Beginn der Versammlung zu: „Ja, der Ortsgemeinderat hat in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, die alte Schule abzureißen.“ Er räumt aber sogleich ein, dass diese Entscheidung nicht wirksam sei. Ein entsprechender Beschluss hätte nämlich in einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderats gefällt werden müssen. Er erklärt den rund 100 Kanzemern, die zur Versammlung gekommen sind, aber auch die Hintergründe dieser Entscheidung: Klamme Gemeindefinanzen, der Neubau einer Kita, in den man die alte Immobilie integriert, würde circa 600.000 Euro mehr kosten wie der Neubau einer Kita, ein Umbau in Wohnungen würde sich wegen der Nachbarschaft zu Bürgerhaus und Vinothek schwierig gestalten.
„Eine öffentliche Verwaltung tut sich mit der Sanierung so eines Gebäudes einfach schwer. Als Privatmann hätte man es schon längst auf einen modernen Stand gebracht“, sagt Mertes. Aber er und die übrigen Ratsmitglieder seien offen für konstruktive Ideen, wie das historische Schulgebäude gerettet werden könnte.
Ortsbürgermeister Peter Josef Mertes diskutiert mit den Kanzemern im neuen Bürgerhaus über mögliche Nutzungsformen der alten Schule.
Und so beginnt bald eine rege Diskussion. Schnell kristallisiert sich heraus, dass eine gastronomische Nutzung der Immobilie genauer geprüft werden sollte. Denn – zumindest momentan – fehlt es an einem Bistro oder Restaurant in der touristisch beliebten Kommune. Zwar öffnet möglicherweise bis zum Sommer das alte Fährhaus wieder seine Küche. Aber wirklich konkret wurde der Eigentümer des einst beliebten Restaurants am Saarufer in der Runde nicht. Und Anna Reimann – ihr gehört mit ihrem Mann das Weingut Cantzheim – ist sich sicher: „Kanzem würde auch einen zweiten Gastro-Betrieb verkraften.“ Wie oft werde sie von ihren Feriengästen gefragt, wo man im Ort etwas zu essen bekomme.
Eine andere Idee, die im neuen Bürgerhaus vorgestellt wurde, war der Umbau der alten Schule in ein Tagungszentrum. Im Bereich des unteren Saartals würden entsprechende Angebote fehlen – es gäbe aber von Gruppen immer wieder Anfragen, wo man in der Region tagen oder einen Workshop veranstalten könnte. Die Meinung so gut wie aller Menschen, die sich für die Bürgerversammlung zwei Stunden Zeit genommen haben, war zum Schluss recht eindeutig: Man solle gemeinsam mit einem Ausschuss noch einmal überlegen, wie man die alte Schule sinnvoll nutzen könne. Da müsse man alle Alternativen „ergebnisoffen“ diskutieren – damit wäre dann auch ein möglicher Abriss der alten Schule nicht ausgeschlossen. Und so werden sich demnächst drei Ratsmitglieder sowie drei Bürger in einem Ausschuss unter Vorsitz des ersten Beigeordneten der Gemeinde, Andreas Breuer, zusammensetzen und nach Lösungen für den Erhalt des historischen Gebäudes suchen.